Auswandern? Warum?

Dieser nachstehende Artikel beschreibt die Beweggründe vieler Bürger, die Heimat zu verlassen. Die Leibeigenschaft war durch Gesetz aufgehoben worden, die Bürger ohne Einkünfte und die Obrigkeit sperrte sich gegen die Demokratie. Auch die Krambecks verloren ihre Hufe in Stratenbrook.
Hier ein Auszug aus einer Webseite, die heute wieder verfügbar ist.
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Der Instenkönig
Das Schreiben des Grafen Platen vom 27.2.1851

Der Unterzeichnete hält es für eine ihm obliegende unabweisliche Pflicht, die hochverehrliche Oberste Civilbehörde für das Herzogthum Holstein auf den Districtsschullehrer Mester zu Döhnsdorf, adligen Guts Weißenhaus, aufmerksam zu machen, und zwar auf ein Individuum, welches nicht wohl füglich an Ort und Stelle bleiben kann, falls Ruhe und Ordnung, Zucht und Sitte aller Orten, auch im kleinsten Dorfe wieder hergestellt und erhalten werden soll.

Dieser schon seit vielen Jahren wegen seiner Streitsucht und Frivolität im Lande bekannter, um nicht zu sagen berüchtigter Mann, verschiedentlich von der vorgesetzten Behörde verwarnt und bestraft, trat seit Beginn des tollen Jahres 1848 mehr in den Vordergrund der Bühne des öffentlichen Lebens, und zwar als äußerst thätiger Wühler und Aufwiegler im demokratisch-communistischen Sinne, wußte in jener revolutionairen Zeit die Massen der Arbeiter und kleinen Handwerker in der hiesigen Gegend durch trügerische aber lockende Versprechungen und Vorspiegelungen um sich zu schaaren, mit sich fortzureißen.

Er war es, der hier und in der Umgegend der arbeitenden Klasse so lange von den unglücklichen und unwürdigen Lebensverhältnissen, in welchen sie durch die Macht und den bösen Willen der sogenannten Großen schmachten mußten, vorschwatzte, bis sie glaubten, daß sie wirklich im Elende umkommen mußten, falls sie nicht mehr Land, Kühe, Feuerung, lächerlich hohen Tagelohn für sehr kurze Arbeitszeit, so zu sagen für Nichtsthun erhielten. Mester war es, der die hiesigen, gewiß gutgestellten Tagelöhner und Knechte, freilich ganz unter der Hand zum Ungehorsam und zur Widersetzlichkeit gegen ihre Arbeitgeber und Dienstherren verführte, sie beredete, die Arbeit nieder zu legen, um auf diese Art ihre exorbitanten Forderungen schneller erfüllt zu sehen.

Mester bildete Vereine und hielt an verschiedenen Orten Vorträge und Vorlesungen, welche sich eines zahlreichen Zuspruchs zu erfreuen hatten; was vorgetragen, ward dem Geschmack der Zuhörer angepaßt, den ungebildeten Massen hingeworfene plumpe Schmeicheleien wechselten mit gemeinen Angriffen und Schmähungen gegen Guts- und Brodherrn, gegen Obrigkeit und Vorgesetzte, Geistlichkeit – gewöhnlich in doppelsinnige Gleichnisse und Erzählungen eingekleidet, nur dasjenige, was das Volk gern hört, bekam es zu hören, und deshalb kehrten sie am nächsten Abend wieder. Viel blühender Unsinn, viel gefährliches Zeug ward dort verarbeitet, manch verbrecherischer Wunsch rege gemacht, nie aber die getreue Lage der Dinge der Wahrheit gemäß geschildert, nie die Pflichten und Rechte der Arbeitnehmer und Arbeitgeber gegen einander aufgezählt und erwogen. Der Köder war gut!

Noch mehr aber als die Schmeicheleien zog eine schlecht erleuchtete Stube die Knechte und Mädchen herbei. Das Getreibe im Dorfe an den sogenannten Vorlese-Abenden war mehr als anstößig. Nur ein Mann von Mester’s Denkungsart konnte es über sich gewinnen, seine Schulstube auf erwähnte Art entwürdigen zu lassen.

Da jedes Mitglied des Döhnsdorfer Volksbelehrungsvereins dem Schulmeister Mester quartaliter einen Betrag von 4 Schilling bezahlen mußte, so konnten auch Zeitungen, Zeitschriften, Ansprachen gehalten und angeschafft werden, daß es die größten und gemeinsten Sudelblätter des In- und Auslandes waren, gebraucht wohl nicht versichert zu werden. Diese nun wurden in den Vereinen vorgelesen, ihr revolutionairer giftiger Inhalt durch Mester’s Erläuterungen und Zusätze der Arbeiterklasse schmackhaft, mundgerecht, verständlich gemacht.

Das Mester nur als untergeordnetes Mitglied der hier im Lande constituirten Demagogenbande agirte, ist bekannt. Seine Gesinnungsgenossen und Vorgesetzten, als ein Claussen, Hedde, Neergaard, der Schullehrer Jensen aus dem adligen Gute Farve und noch mehr Leute selbigen Gelichters erschienen von Zeit zu Zeit auch in hiesiger Gegend, um sein Treiben zu unterstützen, seine Versprechungen zu bekräftigen, namentlich aber um den Arbeitervereinen das Wort zu reden und die Leute zum Unterschreiben zu veranlassen.

Unter den urtheilsfähigen Bewohnern hiesiger Gegend giebt es nur eine Stimme und Ansicht, nämlich die, daß Mester alle Exzesse und Unzuträglichkeiten, welche sich in hiesiger Gegend ereigneten, direct oder indirecte veranlaßte, die communistischen Bewegungen hervorgerufen und geleitet habe, daß er vor keinem Mittel zurückweiche, welches zur Förderung desselben diene, daß es hier auch nicht eher ruhig werde, als bis Mester entfernt sei.

Das Mester sich in die sogenannte Landesversammlung wählen ließ, muß man seiner lächerlichen Eitelkeit und Bornirtheit zu Gute halten, es gelang ihm, Diätenvertilger zu werden vermöge des Wahlgesetzes, basirt auf den Unsinn der Kopfzahlwahlen, so wie auch durch die Drohung seiner Anhänger, jeden über den Kopf zu schlagen, der nicht für Mester stimmen werde. Daß er sich zur äußersten Linken gesellte, ihre Ansichten vertrat, mit ihr stimmte, ist bekannt, es war die Fortsetzung von seinem hiesigen Treiben.

So wie Alles in der Welt dem Wechsel unterworfen, so ist es auch der Besuch politischer Vereine; früher strömten Hunderte von Menschen nach Döhnsdorf, jetzt giebt es, so viel ich weiß, keinen bestimmten Versammlungstag mehr.

Trotz gänzlich veränderter Sachlage nun kann Mester aber nicht zur Ruhe kommen, er muß wühlen, muß Mißtrauen erregen, muß dort Widersetzlichkeit predigen, wo er von Versöhnung sprechen sollte, kurz Mester treibt das alte bekannte Handwerk fort, nur vorsichtiger und geheimer.

Was aber durchaus nicht geduldet werden kann, und worauf ich die hochverehrte Oberste Civilbehörde aufmerksam zu machen wage, das ist auf Mesters Wirken und Benehmen in der Schulstube den Schulkindern gegenüber, demselben muß ein Ziel gesteckt werden. Mester muß entfernt werden, er ist unverbesserlich.

Mester vergiftet das Gemüth der Schulkinder durch seine communistischen Äußerungen und Erzählungen, durch seine miserablen Grundsätze, welche er denselben mitzutheilen sich bemüht, tritt er nicht in die Schulstube und sagt, ich bin ein Demokrat und bin stolz darauf – gehört das vor die Kinder? Die Unterrichtszeit benutzt er dazu Alles und Jeden zu begeifern und zu besudeln, der seine Ansichten und Moral nicht theilt, nicht billigt. Gesetz und Obrigkeit bespöttelt er und untergräbt so den Sinn der Kinder für Recht und Ordnung, Zucht und Sitte, den er erwecken und stärken sollte.

Er macht aus seiner Schule eine Bildungsanstalt für Demokraten und Communisten, anstatt das Christenthum zu lehren, predigt er den Nutzen der Gütertheilung. Die Saat, welche er säet, sie wird aufgehen, das Feld ist zu gut beackert und bedüngt, und was wird die menschliche Gesellschaft erndten müssen? Das Schulpatronat darf nicht länger schweigen, Mesters Benehmen in der Schulstube ist im höchsten Grade anstößig und gefährlich, verderblich, wenn es fortgesetzt werden darf.

Der Unterzeichnete erlaubt sich noch zu bemerken, daß derselbe den Weg der Klage vor dem Schulinspector und Kirchenvisitatoren nicht eingeschlagen hat, da der gerichtliche Beweis, daß dieses oder jenes Wort in der Schulstube gesprochen, nicht geführt werden kann, weil ich es hier mit Kindern zu thun bekäme, und noch oben ein mit Kindern, die unter seiner Zuchtruthe stehen, mit Kindern, denen es bei schwerer Strafe untersagt ist, irgend etwas mitzutheilen, was in der Schulstube vorgeht. Durch die Kinder aber sind die Eltern auf das unwürdige und anstößige Benehmen Mester’s aufmerksam geworden, daß er sein Amt mißbraucht zur Verbreitung von Irrlehren, zur Verbreitung demokratischer Weisheit.

Der Unterzeichnete erlaubt sich ferner auf die Verordnung vom 4. April 1845 Bezug zu nehmen, nach welcher ja Volksschullehrer auf dem Verwaltungswege entlassen werden können, wenn dieselben durch anstößiges Benehmen, zum Ärger gereichendes Betragen, sich der Achtung und des Zutrauens unwürdig gemacht haben (§ 2).

Das Mester das Zutrauen und selbst die Achtung der ganzen Schulcommüne, mit Ausnahme der Gesinnungsgenossen, verloren, ist wohl nicht in Abrede zu stellen, eben so wenig ist es zu bezweifeln, daß sein Benehmen in und außerhalb der Schulstube ein höchst anstößiges gewesen und auch jetzt noch anstößig ist. Die Eltern mögen die Kinder nicht mehr zur Schule schicken, wo sie nichts Gutes lernen, wohl aber hören müssen, wie der Lehrer auf die Eltern schimpft.

Mester’s Ruf als Demokrat, Wühler, Zänker, Aufhetzer ist im ganzen Lande verbreitet, durch seine Rathschlage ist mehr denn eine Familie unglücklich geworden, geholfen, genützt hat es wohl Niemanden!

Von seinem Wirken als Lehrer muß ich schweigen, da ich nicht weiß, was seine Schüler leisten, seiner Wirksamkeit als Schullehrer der Schulcommüne gegenüber möchte ich recht bald ein Ende gemacht sehen.

Unsere Hoffnung wird auch sicher erfüllt werden, denn keine Regierung wird einem Menschen wie Mester, einem Demokraten, Communisten das Amt eines Volksschullehrers lassen können.

Sehlendorf, den 27. Februar 1851.
Mit aller Achtung
v. Platen

Mit Schreiben vom 27.2.1851 wandte sich Graf Platen an die Behörden, um die Entlassung Mesters aus dem Schuldienst zu erreichen. Graf Platen hatte, wie das Gericht später schrieb, „ein sehr gespanntes, ja feindseliges Verhältnis“ zu Mester. Anlaß dieser Abneigung waren wohl frühere Streitigkeiten aber in erster Linie die politische Tätigkeit Mesters während der Revolution.

Graf Platen schrieb beispielsweise: „Dieser schon seit vielen Jahren wegen seiner Streitsucht und Frivolität im Lande bekannter, um nicht zu sagen berüchtigter Mann, schon verschiedentlich von der vorgesetzten Behörde verwarnt und bestraft, trat seit Beginn des tollen Jahres 1848 mehr in den Vordergrund der Bühne des öffentlichen Lebens, und zwar als äußerst thätiger Wühler und Aufwiegler im demokratisch-communistischen Sinne, wußte in jener revolutionairen Zeit die Massen der Arbeiter und kleinen Handwerker in der hiesigen Gegend durch trügerische aber lockende Versprechungen und Vorspiegelungen um sich zu schaaren, mit sich fortzureißen.“

Dazu schreibt Hedde: „ Der Graf überträgt seinen Grimm gegen die neue Zeit auf die Personen. Dieser hat sich verschärft, weil er ihn längere Zeit hat unterdrücken müssen und weil er sich ohne Zweifel seine geistige Unterordnung unter Leute eingestehen muß, über die er durch seinen Stand weit erhaben zu sein glaubt. Seine Feindschaft wirft sich vor Allem auf den Lehrer Mester, weil dieser im Stande war, in bewegter Zeit einen nicht unbedeutenden Einfluß auf die Masse der Gutseinwohner auszuüben, und weil er einen Mann, der nicht blos das Werkzeug seiner gräflichen Hand sein will, in seinem Gute nicht dulden will.“

Die Kirchenbehörden, zuständig für die Schulaufsicht, leiteten ein Disziplinarverfahren ein und beantragten außerdem eine kriminalgerichtliche Untersuchung.

Grundlage dieser Verfahren waren nicht, oder nicht nur die haltlosen Beschimpfungen Graf Platens gegen Mester, sondern belastende Aussagen aus der Einwohnerschaft der Platenschen Güter, die in sog. Klägerversammlungen verabredet worden waren.

Wie kam es zu diesem Stimmungswandel gegen Mester?
Bereits im Herbst 1849 hatte Graf Platen allen Tagelöhnern seiner Güter zum Mai 1850 gekündigt. Die Arbeiter mußten beim Grafen um ihre Stellen betteln, wurden aber in Ungewißheit gehalten. Hedde: „Dann werden 1850 wirklich eine Anzahl von Leuten, die man als Mesters ‚Anhänger‘ ansieht, von ihren Stellen geworfen, erhalten schlechtere oder gar keine Landstellen wieder, oder bekommen erbärmliche Wohnungen. Auch entzieht man ihnen zum Theil die Arbeit. Dabei werden die, die sich bittend an den Grafen wenden, in einer solchen Weise an Mester oder an ihre ‚Vertrauensmänner‘ verwiesen, daß darin ein offenbarer Spott und eine Anreizung liegt, Mester als den Urheber des Unglücks anzusehen, welches der Graf jetzt über sie verhängte.“

Im Herbst 1850 sprach Platen umfassende Kündigungen zum Mai 1851 aus. Diesmal waren auch die Hufner betroffen, deren Pachtturnus zu diesem Zeitpunkt auslief.

Der Hufner Fritz Wieck, Vorstandsmitglied des Döhnsdorfer Volksbelehrungsvereins, wurde von seiner Bauernstelle geworfen!

Wieck: „Der Graf habe mit dürren Worten zu ihm gesagt, er verpachte nur deshalb ihm die Hufe nicht wieder, weil er mit Mester in Freundschaft lebe, während er, der Graf, zu diesem Manne in Feindschaft stehe.“

Während die Döhnsdorfer im Allgemeinen von Hedde in seiner Verteidigungsschrift als „Leute von geringer Intelligenz, nicht daran gewöhnt Reden aufzufassen und der hochdeutschen Sprache, worin sie gehalten wurden, gar nicht oder doch nicht vollständig mächtig“ charakterisiert wurden, beschreibt er Wieck folgendermaßen: „Derselbe übertrifft an Bildung und Kenntnissen die gewöhnlichen Bauern weit, spricht gewandt hochdeutsch und ist daher besonders fähig, die Reden des Angeschuldigten aufzufassen und dem wahren Sinne nach wiederzugeben. Er ist ferner ein ausgezeichneter, tüchtiger Landwirth, der seine Hufe zu einer Art Musterwirthschaft für die Bauern dortiger Gegend gemacht hatte.“

Zunächst kam die Auswanderung für ihn nicht in Frage. Seine Frau war krank und er hing an der Bauernstelle, auf der er aufgewachsen war. Die Familie wurde von Verwandten aufgenommen, aber auch dort wieder vertrieben.

Es blieb keine Wahl. Fritz Wieck wanderte mit seiner Familie und mit der Familie seines Schwagers Wilhelm Schreier aus Wasbuck nach Bonkahill bei St. Louis (Missouri) aus. Viele andere folgten seinem Beispiel, wie die Krambecks, die nach Brasilien auswanderten.

Weiteres zu der Auswanderung ist unter der Seite http://www.freierabend.de zu finden.

Interessant hier ist zweierlei: einmal wurde der seit mehr als 160 Jahren verschollen geglaubte Originalvertrag zur Auswanderung in Hamburg, in Archiven, entdeckt und ist dort, in vorgenannter  Webseite als Original-Kopie zu sehen (uebersetzt in Portugiesisch; abgeschrieben in das Original franzoesisch, sowie in deutsch). Das Original ist handschriftlich in franzoesisch verfasst (die erste Schreibmaschine in Holz war erst im Jahre 1864  von Peter Mitterhofer in Oesterreich erfunden worden).

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